Z ü r i W e s t  S u p e r 8 - P r e s s e s t i m m e n

FACTS 25.2.99
Züri Wests neue CD: «Super8».
«Super8» beginnt mit einem Instrumentalstück. Ist die Band sprachlos geworden, die seit 1984 so pointiert den Zeitgeist artikuliert? Mitnichten. Nur weiss sie der Gegenwart wortlos beizukommen: mit sinnlichem Kammer- Rock, der von Easy Listening bis Bossa Nova, von der hallenden James-Bond- Gitarre bis zur perlenden Doors-Orgel kein Zitat auslässt, mit cineastischer Dichte Stimmungen zeichnet so schummrig wie in einem brasilianischen Softporno, so atmosphärisch wie in einem verrauchten Pub. Und dann meldet er sich zu Wort: Kuno Lauener mag in einer Zeit, der nichts mehr heilig ist, keine politisch korrekte Rolle mehr erfüllen, sondern er singt frisch von der Leber weg über Sünde, Suff und Müssiggang. Der Sänger pflegt einen erotischen Umgang mir der Sprache, gibt den lustvollen Gambler, den charmanten Macho, alles leicht distanziert, alles ironisch gebrochen. Bis die trügerische Leichtigkeit sich plötzlich auflöst: in Depression und Einsamkeit. Und siehe da: Auch diesmal gelingt Züri West ein aktuelles Sittengemälde: das Bild einer Gesellschaft, deren Menschen vor lauter Individualismus vereinzelt, durch die Verlockungen der Konsumwelt voneinander entfremdet sind. «Super8» ist nicht nur süffig, sondern zeigt auch den bitteren Nachgeschmack der Trunkenheit - die Platte entlarvt die hedonistische Ziellosigkeit der Neunzigerjahre.
Bänz FRIEDLI •
Swiss Agenda 3/99

Züri West - Super 8 •
Angesichts der tausend Medienstimmen im Land glaube ich nicht, dass es nun noch eines weiteren ,,eloquenten, sachlichen und kompetenten“ Beitrags zur neuesten Züri-West Produktion bedarf. Ich wäre im übrigen auch der falsche Mann für solches Unterfangen. Zuviele Küchen in Berner Musikerwohnungen sind mir vertraut, als dass ich unvoreingenommen bleiben könnte. Lass mich also gefühlsduselig werden angesichts der Tatsache, dass ich meiner Heimatstadt vor elf jahren den Rücken gekehrt habe, um an einem See zu leben. Meine Kollegen von Z.W. bekomme ich nur mehr selten zu Gesicht. Im Moment wo ich diesen Text in meine alte ,,Underwood“ reinhacke, ist es Ende Februar und vor dem Fenster schmilzt der Jahrhundertschnee. Ich höre mir ,,Super 8“ als Vorabkassette auf meinem antiquarischen Philips-Cassettenrecorder an. Die Redaktion hat mir das CD-Booklet beigelegt. Als ich es aufklappe und anschaue, hoffe ich einen irrigen Moment, die Aufnahmen würden mono sein. Die Voraussetzungen dafür würden stimmen. Die Band schöpft musikalisch die Crème der Musikstile der letzten Jahrzehnte mit viel Feingefühl ab und mengt sie, mit Nostalgie angereichert, unter die Kompositionen. So sorgen z.B. Wah-Wah-Gitarren und Örgeli erstaunlicherweise für eine wage Authenzität, die es im Prinzip gar nicht geben kann. Nix mono natürlich: majestätisch, gross und modern kommt die Tontechnik-Leistung des Oli Bösch daher und die erste Instrumentalnummer nimmt mich gleich mit an einen Wim Wenders-Rastplatz entlang der Autobahn Richtung Süden. Tatsächlich ,,Mojito“ latinisiert innerhalb weniger Sekunden mein Atelier und schwärmerisch glaube ich im Refrain eine Anleihe zu einem zärtlichen Joe Dassin zu hören (Etè Indien). Doch dann übernehmen langsam aber gewaltig wieder die poetisch komprimierten Wahrheiten das Dichters Kuno Lauener. Wer weiss, ob ,,Glücklech“ einmal mehr den Alptraum der gesetzlich verbrieften Liebe skizziert, wie es in ähnlicher Form auf vorangehenden Alben immer wieder zu hören war. Auf jeden Fall tut es mir immer wieder gut, diesem Zynismus seiner Worte in stets wechselndem Gewand neu zu begegnen. Die Heiratsrate boomt parallel zur Scheidungsziffer. Leute, die ihr vor der Entscheidung steht, hört die Musik von Züri West und ihr werdet geheilt. Geheilt vom Irrglauben der nie ersterbenden Leidenschaft und der Illusion der ewigen Liebe. Ich lausche der Musik. Blubbernd krabbelt der ,,Mischtchäfer“ durch mein Ohr. Aha, der luzide laszive Galan ist im Anmarsch, lullt mich ein mit Triphop Meditationen. Es geht um die Liebe. Vor allem Liebe, denn das durstige Herz des Dichters trinkt von manchem Quell. Es labt sich bis zur Erschöpfung. Irgendwann versiegt der Quell. Die Suche nach Wasser beginnt von vorn. Der alte Lebemann macht‘s vor: Udo L. wird zitiert, die philosophische Stütze meiner Jugendjahre. ,,Glaubst Du denn, dass die Frau, mit der Du zusammen bist, die einzig richtige Dame auf dieser Welt für Dich ist? Zufällig war sie da".
Die weiblichen Fans werden dieses Lied nicht mögen. Ich muss grinsen. Diese Schelme! Der Flügel klingt so seifig wie ein Pianist in der Savoy-Bar, göttlich. Es ist unglaublich! Was auf dieser Platte daherkommt sind Wahrheiten. ,,Nichts ist erregender als die Wahrheit“ sagte einst der Reporter Egon Erwin Kisch über seine Arbeit. Die Musik von Züri West erregt mich im höchsten Mass. Funky und vibrierend. Ich fühle mich durch sie bestätigt. Gedanken an junge Paare im Supermarkt, mit Einkaufswagen und nölenden Kleinkindern, ihre Gesichter alt und grau vor Glück, erscheinen als Film vor meinem geistigen Auge, und ich komme nicht umhin, selig vor mich hinzulächeln, wissend...
Die hehren Ideale der Super8-Generation sind verwackelte Zeugnisse einer einst ,,heilen“ Welt. Horror, sich vorzustellen, wie zerstrittene Ehepaare in ihrem Reiheneinfamilienhaus versuchen, den Frieden zu retten, indem sie zittrige Super-8 Filmchen der Flitterwochen 1964 in Rimini abspielen, während ihre Sprösslinge maulend auf ,,sex-chain- saw-killers“ auf RTL warten. Züri West, allen voran der Dichter Kuno Lauener, machen dies einmal mehr mit subversiver Eindringlichkeit hör- und sichtbar. Dass man dazu auch noch wunderbar tanzen kann, erhöht nur noch die Wollust.
Dänu Boemle

 

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